Ein Teil von ihr: Thriller (German Edition) by Karin Slaughter

Autor:Karin Slaughter [Slaughter, Karin]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783959677790
Herausgeber: HarperCollins
veröffentlicht: 2018-07-31T22:00:00+00:00

23. AUGUST 2018

11

Andy hob eine schwere Schachtel mit alten Turnschuhen aus dem Laderaum des Reliant. Dicke Regentropfen klatschten auf den Pappkarton. Dampf stieg vom Asphalt auf. Der Himmel hatte seine Schleusen nach Tagen mörderischer Hitze endlich geöffnet, sodass Andy jetzt auch noch nass wurde. Sie sprintete zwischen der Heckklappe und der offenen Lagereinheit hin und her und zog jedes Mal den Kopf ein, wenn ein Blitz aus den Wolken niederfuhr.

Sie hatte sich ein Beispiel an ihrer Mutter genommen und zwei verschiedene Lagereinheiten in zwei verschiedenen Einrichtungen in zwei verschiedenen Bundesstaaten angemietet, um die Unmengen an Bargeld zu verstecken, die sie in dem Wagen gefunden hatte. Sie hatte sogar noch eins draufgesetzt: Anstatt das Geld einfach auf dem Boden des Lagerraums zu stapeln wie Skyler White in Breaking Bad, hatte sie den Lagerraum der Heilsarmee in Little Rock leer gekauft und anschließend die Geldstapel unter alten Klamotten, Campingausrüstung und einem Haufen kaputter Spielsachen versteckt.

Auf diese Weise würde jeder, der sie beobachtete, glauben, dass Andy das tat, was die meisten Amerikaner taten: nämlich für die Lagerung von altem Schrott zu bezahlen, den sie nicht mehr haben wollte, anstatt ihn Leuten zu schenken, die ihn vielleicht noch gebrauchen konnten.

Andy rannte zum Reliant zurück und holte den nächsten Karton. In ihren brandneuen Sneakers schwappte schon das Regenwasser, und ihre neuen Socken fühlten sich bald wie Treibsand an. Nach dem ersten Lagerraum auf der Arkansas-Seite von Texarkana hatte sie noch einen weiteren Walmart aufgesucht. Endlich trug sie Sachen, die nicht aus den 1980ern stammten. Sie hatte eine Umhängetasche und einen Laptop für dreihundertfünfzig Dollar gekauft. Sie hatte eine Sonnenbrille, Unterwäsche, die nicht um ihren Hintern schlabberte, und sonderbarerweise das Gefühl, zu wissen, was sie wollte.

Ich möchte, dass du dein eigenes Leben lebst, hatte Laura im Diner gesagt. So gern ich es dir einfacher machen würde – ich weiß, dass nichts Wurzeln schlagen wird, wenn du es nicht allein bewältigst.

Andy war nun weiß Gott allein. Aber was hatte sich verändert? Sie konnte es nicht so genau formulieren, warum sie sich so anders fühlte. Sie wusste nur, dass sie es satthatte, von einer Katastrophe zur nächsten zu trudeln wie eine Amöbe in einer Petrischale. War es die Erkenntnis, dass ihre Mutter eine spektakuläre Lügnerin war? War es die Beschämung, weil sie selbst so leichtgläubig gewesen war? War es die Tatsache, dass ein Auftragskiller ihr bis nach Alabama gefolgt war, und dass sie, anstatt auf ihren Bauch zu hören und zu verduften, versucht hatte, mit ihm anzubändeln?

Ihr Gesicht brannte vor Scham, als sie einen weiteren Karton aus dem Reliant zog.

Andy war lange genug in Florence geblieben, um Mike Kneppers Truck zweimal in zwei Stunden am Motel vorbeifahren zu sehen. Sie hatte eine dritte Stunde und bis in die vierte hinein abgewartet, um sicherzugehen, dass er nicht wiederkam, dann hatte sie den Reliant gepackt und sich auf den Weg gemacht.

Sie war von Anfang an zittrig gewesen, vollgepumpt mit Koffein von zu vielen Bechern McDonald’s-Kaffee, und verfiel immer noch in Panik, sobald sie zur Toilette musste, weil sie zu diesem Zeitpunkt noch das Geld im Wagen gehabt hatte.

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